For Example/Workshop Freie Musik - 1969-1978

Jost Gebers (1978)

Als Mitte der 60er Jahre europäische Jazzmusiker an Profil gewannen, diese europäische Jazzmusik hörbar wurde, entstanden auch Überlegungen, diese Musik in anderen Rahmen, als den bislang üblichen, zu präsentieren. In den meisten Fällen entwickelten die Musiker selbst neue Modelle, suchten nach neuen Präsentationsformen, wie sie auch begannen, ihre Schallplatten selbst zu produzieren und zu vertreiben. Das Jahr 1968 war ein wesentlicher Schritt in diese neue Richtung. Peter Brötzmann produzierte seine zweite Platte „Machine Gun“ im Eigenverlag, im Sommer organisierten Jazzmusiker in einer Tiefgarage in Köln ein Alternativprogramm zu „Jazz am Rhein“ und in Berlin fand das erste „Total Music Meeting“ statt.

Die Erfahrungen aus diesen unterschiedlichen Aktivitäten sollten uns später bei der Organisation und der Durchführung der Workshops von großem Nutzen sein. Zuerst ging es allerdings haarscharf an einem Fiasko vorbei. Das war 1969. Auf das Angebot der Akademie der Künste, innerhalb einer Ausstellung, es lief damals zu Ostern die Ausstellung „Minimal Art“, ein dreitägiges Konzert zu veranstalten, sind wir mit Freuden eingegangen. Leider haben wir in unserer Euphorie sehr viel Lehrgeld zahlen müssen. Wir hatten ein Programm gemacht, das die Besucher in zwei Lager spaltete. Auf der einen Seite drei Free Jazz-Gruppen, auf der anderen Seite die Alexis Korner Blues Group. Aus diesem erfolgreichen Misserfolg, unser Konzept schien uns richtig, das Programm, zumindest zu dieser Zeit, schien falsch, versuchten wir bessere Wege zu finden.

1970, auf ein neues Angebot der Akademie hin, wurde aus der dreitägigen Veranstaltung ein fünftägiger Workshop mit öffentlichen Proben, zwei großen Podesten in der Ausstellungshalle und einem konsequenten Free Jazz-Programm. Jetzt zeigte sich, dass unser erster Versuch, diese Musik aus dem Konzertsaal und dem Club in offene Räume zu bringen, richtig war. Die Zwänge für Musiker und Publikum konnten so erheblich reduziert werden.

An diesem Konzept hielten wir bis 1972 fest. Aber auch hier gab es noch erhebliche Missverständnisse. Musiker und Gruppen, die aus der offenen Form des Workshops wieder geschlossene Konzerte mit festgelegten Abläufen machen wollten, Publikumsgruppierungen, die mitspielen oder dagegen spielen wollten (Flötenhersteller müssen in diesen Jahren gewaltige Umsätze gemacht haben). Es begannen aber auch beide Partner, Musiker und Hörer, die Möglichkeiten besser zu nutzen.

Der nächste Einschnitt war für uns das Jahr 1973. In diesem Jahr begannen wir, der Konzentration wegen, nur noch mit einer Bühne, an zentraler Stelle der großen Ausstellungshalle, zu arbeiten und es zeigte sich, dass dieser Schritt das gewünschte Ergebnis brachte. Die 5-Tage-Reihe verschob sich immer mehr von der Präsentation, vom Abliefern, zum Prozess, zum Erproben. Der größere Teil des Publikums kommt ohne extreme Hörerwartung, will sich nicht mehr unbedingt Hörgewohnheiten bestätigen lassen.

Seit 1975 werden zu Beginn eines jeden Abends Musiker eines bestimmten Instrumentes solistisch vorgestellt, 1975 Posaunen, 1976 Gitarren, 1977 Bässe, 1978 Saxophone. Dabei ergibt sich die Möglichkeit sehr unterschiedliche Spielweisen, auch unterschiedliche Möglichkeiten ein Instrument zu benutzen, zu erleben.

Der Workshop hat 1972, 1975 und 1978 Kompositionsaufträge vergeben. 1972 an Fred Van Hove, der ein Stück schrieb für Bläser und zwei Pianisten, den einen Klavierpart übernahm Misha Mengelberg, den anderen spielte Fred Van Hove. Für die kleine Besetzung des Globe Unity Orchesters, für Globe Unity Special, schrieben 1975 Steve Lacy, Evan Parker und Misha Mengelberg Auftragskompositionen und 1978 für das Globe Unity Orchester Alex Schlippenbach, Kenny Wheeler und der junge deutsche Pianist Elmar Kräling.

Vielleicht zum Abschluss noch einige Erläuterungen zu unserer Arbeitsweise, zur Organisation. Die Akademie der Künste stellt uns jährlich die finanziellen Mittel, ihre Räume, Mitarbeiter und ihr Know-How zur Verfügung, überlässt aber der Free Music Production das gesamte Konzept und die Durchführung bis ins Detail. Seit einigen Jahren findet eine zusätzliche Finanzierung durch Verkauf von Senderechten statt, d.h., wir bieten ARD-Rundfunkanstalten komplette Programme nach unseren Intentionen an. Ich glaube, das ist ein einmaliges Beispiel von Zusammenarbeit einer Institution und einem Kollektiv von Musikern. Dadurch waren wir in der Lage sehr kompromisslose Dinge zu erproben, Dinge wachsen zu lassen, und letztlich auch zu Punkten zu kommen, hinter denen mehrheitlich die Musiker stehen.

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