26. Januar 2006

News 3 (Laudatio)

NewsIndex


Michael Nauras Laudatio auf Peter Brötzmann

Introduktion

B…B…B…B…
BR…BR…BR…BR…
Ö…Ö…Ö…Ö…
TZ…TZ…TZ…TZ…
MANN…MANN…MANN…MANN
B R Ö T Z M A N N !

Lieber Peter Brötzmann, verehrter Herr Bürgermeister!
Meine Damen und Herren!

Nach dem 2. Weltkrieg – ich war ein kleiner Schnösel noch mit lockigem Haar, da war das Radio meine Lieblingsspeise. Es war aus heutiger Sicht ein komischer Holzkasten. Aber er war mein Altar für Musik. Ich hatte ihn auf einen Sender eingestellt, auf den AFN (American Forces Network), den Soldatensender der Amerikaner. Und der dudelte unaufhörlich TOMMY DORSEY, FRANK SINATRA, BENNY GOODMAN. Ach, die ganze Popular-Sauce der USA tropfte aus dem Volksempfänger. Aber eines Tages drehte ich am Knopf und stieß auf einen Sound, der mich wie eine Ohrfeige erreichte. Sie nannten das FREE JAZZ. Viel später, ich war inzwischen Leiter der Jazzredaktion des NDR geworden, lernte ich einen seiner ausgeprägtesten Vertreter kennen. Den Freejazz Saxophonisten und Maler Peter Brötzmann.

Das ist, als würde man im Wald beim Blaubeersuchen einem Bären gegenüberstehen. Also: Beeindruckend, aber auch furchterregend. Er spielte, als würde ihn die Tobsucht peinigen. Nach BEN WEBSTER, der mein Favorit unter den Saxophonisten gewesen war, nun dies! Eine Orgie aus explodierenden Tönen, die so manchen in die Flucht trieben. Ich aber blieb standhaft. Nach anfänglichem Leiden erkannte ich die Qualitäten des Peter Brötzmann, den seine Feinde Kotzmann nannten. Für Peter Brötzmann gilt, was ich einst über den Pianisten Cecil Taylor Geschrieben habe:
„Sie kommen von oben. Wie alles Gute? Wir werden sehen. Der amerikanische Pianist Cecil Taylor und sein Quintett aus zwei Saxophonisten, Bassist und Schlagzeuger poltern wie eine angeheiterte Kabuki-Theatergruppe von der Empore auf die Bühne. Sie singen und krakeelen, klopfen und scharren, und sie lassen sich Zeit. Das Publikum in seiner Sehnsucht nach platonischer Einheit wartet irritiert und gluckst. Eine Frau flüstert ob des irren Vorspiels. ‚Und dafür hab’ ich nun Geld bezahlt?’ Madame, wenig Geld für einen großen Künstler, der wie kein anderer sich selbst die Treue hält. (Auch wenn ihn Kollege Joachim Kühn zum Bullshit der sechziger Jahre rechnet) Unheimlich und furchtbar wie Schiwa, der Gott, so mag er den Untrainierten erscheinen, wenn er laut eigene Poesie rezitierend: ‚I’m so stoned/Desertes/Time/Touching/Past’, am Flügel Platz nimmt. Und sofort beginnt eine anderthalbstündige Schöpfung eines ‚SOUND POEMS’ die schließlich alle Seelen im Raum vibrieren lässt.“---Und jetzt, meine Damen und Herren, halten sie sich fest, denn nun wird Peter Brötzmann uns bald in ein gewaltiges Taumeln versetzen, vorher lese ich – es wird fast höhnisch klingen – aus eigener Feder:

DAS FRIEDENSGEDICHT
Peter Brötzmann gewidmet.

Friede der ganzen Stadt
Friede dem, der gar nichts hat
Friede auch dem Waisenhaus
Friede selbst der kleinsten Maus
Friede unsren braven Pferden
Friede den’n, die nichts mehr werden
Friede auch dem alten Narren
Friede den’n, die Unrat karren
Friede den’n, die früh verwelken
Friede den’n, die geizig sind
Friede den’n, die ohne Kind
Friede nun den Arbeitslosen
Friede dem, der macht in Hosen
Friede dem, der nicht erkennt
Friede dem, der Schnäpse brennt
Friede auch dem letzten Spießer
Friede auch dem Weingenießer
Friede nun der räud’gen Affen
Friede auch dem dicken Pfaffen
Friede selbst der kleinen Laus
Friede auch dem Hurenhaus
Friede soll uns jetzt erleuchten
Friede nun dem Roten Feuchten!
Friede auch den völlig Nackten
Friede den’n, die gar nichts packten
Friede selbst dem schlimmen Raucher
Friede dem, der ist ein Schlaucher
Friede allen ohne Haar
Friede jetzt und immerdar.

Achtung! Achtung!

Friede nun dem Brötzemann, der so irre spielen kann!!!!!!!!

Peter Brötzmann Michael Naura